βDie ist so hΓΌbsch, die kann doch gar nicht gut klingen? Das passen keine βrichtigenβ Lautsprecher rein, die hat zuwenig Volumen und ΓΌberhaupt: Bricht die nicht gleich unten ab?Β
Immer langsam mit den jungen Pferden. Oder besser: Mit den Lautsprecherklischees wenig kompromissbereiter Wirkungsgradverfechter. Es soll ja Leute geben, denen es nicht egal ist, dass das Tageslicht im Wohnzimmer von schrankgroΓen Lautsprechermonstern verdeckt wird. Und bei denen nicht nur der hoffnungslos musikbegeisterte Teil der Familie die Einrichtung diktiert. Beide unter einen Hut zu bekommen, das ist seit der Erfindung der High Fidelity der heilige Gral der Lautsprecherindustrie. Der italienische Hersteller Albedo hat fΓΌr alle Schattierungen der Gewichtung beider Aspekte Passendes im Programm. Mit der imposanten Acclara (SchulterhΓΆhe: 1,40 Meter) haben wir vor zwei Jahren schon das damalige Topmodell vorgestellt, dass bei allen unbestrittenen akustischen QualitΓ€ten ob seiner schieren Abmessungen ein gewisses MaΓ von Toleranz im tΓ€glichen Umgang erfordert. Die Aptica MKII nun ist das exakte Gegenteil.
Sie ist so wenig Standlautsprecher, wie ein Standlautsprecher nur sein kann. Alles an ihr ist italienische Formensprache: schlanke Silhouette, aufregende Kurven, jede Menge KonventionsbrΓΌche. Dass eine solche Konstruktion nicht auf den Ramschtischen der Elektro-Discounter zu haben ist, versteht sich von selbst: Das Paar Aptica MKII gibtβs im handverlesenen Handel ab 10650 Euro zu erstehen. Das ist die Version mit furniertem Korpus; wer die weiΓe Hochglanzoptik unserer Testmuster will, der muss 13.250 Euro investieren. DafΓΌr bekommt man dann jedoch echten handgemachten Klavierlack. Die Aptica MKII ist, abseits aller gestalterischen Aspekte, ein Zweiwege-Standlautsprecher. Wer eine schnΓΆde BassreflexlΓΆsung vermutet, der irrt. Albedo Audio hat sich das Transmissionline-Prinzip ganz oben auf die Fahne geschrieben, was per Definition eine βLeitungβ hinter dem Basstreiber mit einer gewissen LΓ€nge erfordert. Deshalb gibtβs auch keine kompakte Regalbox im Programm des an der Adria beheimateten Herstellers.Β
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Wieso eigentlich fΓ€llt das SchmuckstΓΌck nicht um? Die sich nach unten verjΓΌngende SchΓΆnheit ist zu allem Γberfluss auch noch deutlich nach hinten geneigt, was die statischen Herausforderungen bei der Konstruktion nicht eben kleiner macht. Des RΓ€tsels LΓΆsung. Eine ernsthaft schwere Stahlplatte, die ΓΌber ein schlankes KoppelstΓΌck mit dem Lautsprecherkorpus verschraubt wird. Das funktioniert bestens, garantiert der Angelegenheit einen sicheren Stand und sorgt fΓΌr die tolle Illusion eines schwebenden Lautsprechers. Bei der Box selbst fΓ€llt erst einmal der komplexe Korpus auf, der durchaus eine fertigungstechnische Herausforderung darstellt. Besonderes gibtβs auch von der Schallwand zu vermelden. Jene ist nΓ€mlich wahrlich kein schnΓΆdes Brett, sondern mit einem speziellen Wellenmuster versehen, was fΓΌr eine besonders diffuse Schallabstrahlung sorgen soll. Oben auf der Boxenfront finden sich dann endlich die beiden fΓΌr sie Schallabstrahlung zustΓ€ndigen Spezialisten. Bei ihnen handelt es sich um in Deutschland gefertigte Treiber aus dem Hause Accuton-Thiel, die mit ihren charakteristischen weiΓen Membranen schon seit vielen Jahren ein Kennzeichen fΓΌr Lautsprecher mit hohem Anspruch sind. Die weiΓen Membranen sind in einem immer noch einzigartigen Verfahren hergestellte Formteile aus extrem harter Keramik, deren StabilitΓ€t bis heute legendΓ€r ist. Albedo wΓ€hlte fΓΌr den Antrieb der Aptica MKII einen 15 Zentimeter durchmessenden TiefmitteltΓΆner. Diesen mit einem krΓ€ftigen Antrieb ausgestatteten Treiber mit einer Transmissionline zu verheiraten ist keine ganz triviale Angelegenheit. Bei Albedo ist man sehr stolz auf die hauseigene Grundlagenforschung zum Thema und hat im Laufe der Jahre sehr leistungsfΓ€hige Simulationswerkzeuge geschaffen, mit denen sich das Verhalten des Ergebnisses gut voraussagen lΓ€sst. Trotzdem steckt ein erheblicher Aufwand in der Realisierung des GehΓ€uses. Nicht nur gilt es eine sehr genau berechnete BedΓ€mpfung der Leitung mittels eines spezielle offenporigen Polyurethanschaums exakt einzuhalten, auch sorgen sogenannte Helmholtz-Resonatoren fΓΌr die gezielte DΓ€mpfung spezieller Frequenzen an strategischen Stellen. In dem schlanken Korpus steckt also weit mehr, als es der Anschein vermuten lieΓe. Ihren Ausgang hat die Laufzeitleitung am FuΓ der Box, direkt an den Anschlussterminals, ein Gitter schΓΌtzt vor Ungemach von auΓen.Β Β Β Β
Oberhalb des TiefmitteltΓΆners ist eine ebenfalls von Accuton-Thiel stammende Keramik-Hochtonkalotte mit 25 Millimetern Durchmesser angeordnet. Bei ihr handelt es sich ebenfalls um einen seit vielen Jahren bewΓ€hrten Treiber, dessen Performance in der Box mit einem Trick auf die SprΓΌnge geholfen wird. Zurecht nΓ€mlich identifiziert der Hersteller Kantendiffraktion als Problem fΓΌr eine saubere Schallabstrahlung, bei der die seitlichen GehΓ€usekanten zu Phantomschallquellen mutieren und die LinearitΓ€t der Abstrahlung grΓΌndlich ruinieren kΓΆnnen. Zur Vermeidung dessen hat sich der Hersteller sein βDSD (Diffraction Shaping Device)β einfallen lassen. Das sind HohlrΓ€ume links und rechts neben dem HochtΓΆner in der Schallwand, die mit speziell gelochten Blechen abgedeckt werden. Diese unterbinden die unerwΓΌnschte Schallausbreitung ΓΌber die Schallwand nachhaltig, so dass das Problem gar nicht entsteht β sehr clever. Die Frequenzweiche filtert die Schallanteile recht fΓΌr beide Treiber recht flach und sorgt fΓΌr die UnterdrΓΌckung hochfrequenter Membranresonanzen. Die Messtechnik gibt den diversen Kunstgriffen bei der Entwicklung recht β die Aptica MKII misst sich sehr gut.Β Β Β Β
Der Vertrieb legte mit wΓ€rmstens ans Herz, die kleine Albedo mit krΓ€ftiger Elektronik zu betreiben, was in Anbetracht des geringen Wirkungsgrades sicherlich kein schlechter Tipp ist. Also lieber keine RΓΆhre? Eigentlich nicht. StabilitΓ€t brΓ€uchte sie, die kleine. Gerne auch einen kernigen SchaltverstΓ€rker. Dass die Aptica MKII mit krΓ€ftigen Amps bestens zurechtkommt, kann ich bestΓ€tigen, das demonstrierte der dicke Cambridge-VollverstΓ€rker im VerlagshΓΆrraum nachdrΓΌcklich. Bereits hier fiel die gelungene Bassabstimmung des Lautsprechers auf: Sehr konturiert, mit jeder Menge GespΓΌr fΓΌr die Farbe in den tiefen Lagen. Transmissionlines wummern? Die hier nicht. TatsΓ€chlich finde ich diese BasslΓΆsung ausgesprochen diszipliniert und fΓΌr einen so stark gestaltungsorientierten Lautsprecher erfreulich komplett. In tonaler Hinsicht gab sich die Italienerin keinerlei BlΓΆΓe. Sie klingt genau so ausgewogen, wie der Frequenzgangschrieb es vermuten lΓ€sst. Wieder einmal fΓ€llt mir auf, dass die Accuton-Keramikkalotten ausgesprochen disziplinierte Gesellen sind, in dieser Inkarnation hier ganz besonders Sie produzieren Sybillanten vollkommen kontrolliert und ungefΓ€rbt und prΓ€sentieren sich im besten Sinne als βaudiophileβ Wandler: Es kommt hinten raus, was man vorne reinsteckt.Β Β Β Β
Und wie war das jetzt mit dem RΓΆhrenbetrieb? Doch, das geht. Zumindest dann, wenn man ein GroΓkaliber wie das Line Magnetic-Monster an die Klemmen lΓ€sst, das es an anderer Stelle in diesem Heft zu bestaunen gibt. Hier erweist sich die schaltbare Gegenkopplung des GerΓ€tes als wahrer Heilsbringer: Mit maximalem Feedback betrieben, haben wie den Traum-Amp fΓΌr die Albedo gefunden. Das Klangbild lΓΆst sich auf nahezu unheimliche Weise von allem Greifbaren, schwebt vollkommen losgelΓΆst im Raum, es klingt mΓ€chtig ausladend. Das Ganze geht auch mit durchaus mit βZappesβ: Wir hΓΆren das selbstbetitelte Album der norwegischen StromgitarrenkΓΌnstler von Slomosa und mein lieber Mann β die zierlich Box macht sogar das mit Γberzeugung. Die tief gestimmten Gitarren sΓ€gen perfekt, das krΓ€ftige Organ des Frontmanns ragt gut verstΓ€ndlich aus der Wall Of Sound heraus. Also βmuch more than just a pretty faceβ? Aber definitiv!
Fazit
Hier gehen Gestaltung und Klang auf beeindruckende Art und Weise Hand in Hand. Die zierliche Italienerin spielt ausgewogen, hat Substanz und verfΓΌgt ΓΌber eine ausgezeichnete Raumdarstellung.β
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